Wenn Kinder Kinder töten

Es ist schrecklich, was der zwölfjährigen Luise aus Freudenberg angetan wurde. Diese Tat – begangen von zwei ebenfalls noch minderjährigen Mädchen – ist grausam und widerlich. Noch widerlicher aber ist die öffentliche Reaktion darauf auf der Video-Plattform Tik Tok. Mit wütenden Reaktionen aus der Bevölkerung im ganzen Land war zu rechnen. Schließlich können die noch minderjährigen Täterinnen strafrechtlich nicht belangt werden. Und das ist bitter. Dadurch bleibt der Tod von Luise wohl für immer ungesühnt. Doch halt! So einfach kann man das auch nicht stehenlassen. Wenn die beiden Täterinnen nicht total abgebrüht sind, werden sie zu einem viel späteren Zeitpunkt das ganze Ausmaß ihrer Tat begreifen können. Und sie werden dann bis zum Ende ihrer Tage mit ihrer Schuld leben müssen.

Der Mob wird aktiv

Ja, diese beiden Mädchen sind Mörderinnen. Und ja, ärgerliche und erboste Kommentare in den sozialen Medien sind bis zu einem gewissen Grade nachvollziehbar. Aber was für unsäglicher Müll auf Tik Tok zu dieser Angelegenheit verbreitet wird, ist unter aller Würde. Mord bleibt Mord, egal wer ihn begangen hat. Daran ist nicht zu rütteln. Aber jene, die mit ihren Hasstiraden Tik Tok und andere soziale Medien zumüllen, sind auch keine Waisenknaben und -mädchen. Sie würden gerne selbst das Recht in die eigene Hand nehmen und agieren doch selbst als Rechtsbrecher. Sie posten unzensiert Bilder der Täterinnen. Eine Frau spricht in die Kamera: „Jeder soll wissen, wer die Täterinnen sind. Alle müssen gewarnt werden.“ Im Namen der Gerechtigkeit müsse der Aufenthaltsort der beiden Mädchen bekannt gegeben werden. All dies hat nur den einen Zweck: Die Mädchen sollen für vogelfrei erklärt werden. Die Jagd ist eröffnet! Fast fühlt man sich wieder in die dunkle Zeit des Mittelalters zurückversetzt.

Glücklicherweise wurde die Staatsanwaltschaft sofort aktiv und ging diesen Einträgen nach. Sie hat Tik Tok aufgefordert, den Account der beiden Mädchen umgehend zu löschen. Und Tik Tok kam dieser Aufforderung auch nach. Zumindest diesbezüglich wurde der Menschlichkeit Genüge getan. Auch die Eltern der Täterinnen haben sehr unter dieser Hetzjagd zu leiden. Sie wurden auch gleich in Sippenhaft genommen. Nach Meinung einiger „hate speecher“ müssten die Eltern anstelle ihrer nicht strafmündigen Kinder bestraft werden. Warum? Haben sie das Messer in die Hand genommen? Haben sie Luise getötet?

Soziale Medien als Tummelplatz für hate speech

Leider ist dieser Shitstorm auf Tik Tok im Falle der getöteten Luise kein Einzelfall und auch nicht auf Tik Tok beschränkt. Ich nutze Tik Tok nicht und werde es auch nie nutzen. Zwar habe ich Accounts auf Facebook und Twitter. Wohl aber nicht mehr lange, wenn sich die sozialen Medien immer mehr zum Tummelplatz von „hate speechern“ entwickeln. Unter dem Deckmäntelchen der Anonymität trauen sich diese Möchtegern-Machos vieles nach dem Motto: „in der Masse des Pöbels lässt es sich trefflich stänkern“. Diese Kommentare sind oft auch noch gespickt mit Rechtschreibfehlern. Ich bin überzeugt, diese Menschen übelster Sorte wären duckmäuserisch und feige, wenn sie ihre Namen nennen müssten.

Schon oft wurden unbescholtene Menschen in den Tod getrieben, weil sie im Netz denunziert, gemobbt und bedroht wurden. Immer und immer wieder. Bis sie es nicht mehr ertrugen und ihrem Leben selbst ein Ende bereitet haben. Ich würde mir deshalb wünschen, dass die Betreiber dieser Plattformen solche Hasskommentare unverzüglich löschen. Zumindest jene, die andere Personen auf das übelste beleidigen, beschimpfen, erniedrigen. Von Morddrohungen ganz abgesehen. Niemand hat das Recht, sich über andere zu erheben. Weder offline noch online.

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