Sein erster Job
Es war sein erster Job nach seinem Uni-Abschluss. Ein talentierter junger Mann, mit viel Hoffnung und Ehrgeiz. Er konnte sich nur noch lückenhaft an das Gespräch mit dem Geschäftsleiter erinnern. „Tut uns schrecklich leid, aber die Auftragslage…“, „können die Gehälter nicht mehr zahlen…“, „müssen wir Ihnen bedauerlicherweise kündigen.“ Aber an den letzten Satz erinnerte er sich noch ganz genau: „Sie werden ohnehin nichts Großes im Leben vollbringen.“
Noch ein einziges Mal ging er zurück in den Betrieb, um seinen Firmenausweise abzugeben und seine persönlichen Sachen abzuholen. Dann stand er auf der Straße. Immer wieder spulte er der letzten Satz des Geschäftsführers wie eine Endlosschliefe ab: „Sie werden ohnehin nichts Großes im Leben vollbringen.“
Er hatte Träume, wollte zuerst Karriere machen und dann eine Familie gründen. Aber die Realität holte ihn schnell – zu schnell – in die grausame Wirklichkeit zurück.
Der junge Mann war niedergeschlagen und nervös, nachdem er seinen ersten Job verloren hatte. Trotzdem hatte er ein Leuchten in den Augen und spürte diesen Funken in sich. Hoch erhobenen Hauptes machte er sich auf den Heimweg.
Am nächsten Tag bewarb er sich um eine andere Stelle. Der Personalleiter frage ihn: „Warum hat Sie der vorherige Arbeitgeber gekündigt?“
Als er darauf keine klare Antwort geben konnte, wurde er auch für diese Stelle abgelehnt.
Er war noch niedergeschlagener und nervöser als nach seiner Entlassung. Aber dieses Leuchten in den Augen. Er war immer noch da! Mit Eifer suchte er weiter und wurde erneut zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.
Der Manager, der er gegenübersaß, machte einen gelangweilten und lustlosen Eindruck. Das ihm angebotene Gehalt lag weit unter dem Durchschnittsgehalt eines solchen Jobs. Die Fahrt zur Arbeitsstelle war lang. Der Betrieb machte einen abgewirtschafteten Eindruck und die Mitarbeiter schlichen mit gesenkten Köpfen müde durch die Büroflure. Trotzdem nahm er die Stelle an und ging mit Begeisterung seiner Arbeit nach.
Neuer Job, neues Glück?
Seine Arbeit war so gut, dass er eigentlich hätte befördert werden müsste. Aber die Kollegen mobbten und die Vorgesetzten blockierten ihn.
Er stammte aus einer bescheidenen Familie. Seine Eltern hatten nicht viel Geld. Sein beiden jüngeren Bruder waren auf die schiefe Bahn geraten. Seine schon etwas ältere Schwester wartete immer noch auf ihren Traumprinzen. So vergingen die Tage, die Wochen und Monate. Trotz seiner desolaten Situation träumte der junge Mann immer noch davon, die Welt zu erobern und sich und seinen Eltern wohlhabend zu machen.
Eines Tages ging er einen anderen Weg zur Arbeit. Plötzlich schreckte ihn eine weibliche Stimme aus seinen trüben Gedanken. „Ich habe hier schöne Blumen für die Frau Gemahlin“, sagte das kleine Mädchen und hielt ihm einen Strauß rote Rosen vor das Gesicht.
„Warum verkaufst du diese Rosen hier?“, fragte er das Mädchen.
„Ich kämpfe gegen einen schlimmen Feind. Dieser Feind ist der Hunger, der meine ganz Familie im Würgegriff hat. Damit ich meine Familie ernähren kann, verkaufe ich Rosen“, antwortet das Mädchen.
Der junge Mann sah schnell weg, als ob er jemanden gesehen hätte. Das Mädchen sollte nicht sehen, wie ihm Tränen der Rührung über die Wangen kullerten.
Er kaufte eine Handvoll Rosen, um dem kleinen Mädchen bei ihrem Kampf gegen den unsichtbaren Feind zu helfen.
Als es Nacht wurde, konnte er nicht einschlafen. Mit den Rosen in der Hand saß er auf seinem Bett und dachte noch lange an die Begegnung mit dem kleinen Mädchen.
Plötzlich kam ihm eine Idee. „Was kann ich tun, um das Leben von Menschen zu verbessern, denen es noch schlechter geht als mir“, dachte er bei sich. Gleich darauf wusste er, was er zu tun hatte.
Eine Idee wird geboren
Alle Kolleginnen und Kollegen waren erstaunt, als er am nächsten Tag die Kündigung einreichte. Dann begann er, das kleine Mädchen zu suchen, die ihm eine Lektion im Leben erteilt hatte. Er durchstreifte die ganze Stadt auf der Suche nach ihr. Er ging durch die vornehmsten Viertel der Stadt. Keine Straße und keine Gasse ließ er aus. Dann gelangte er in die Slums, wo die Ärmsten der Armen ihr Dasein fristeten. Er spürte den Gestank von Gebrochenem und Urin in der Nase. Überall lag Unrat herum. Hin und wieder huschten Ratten vorbei und Bettler durchsuchten die Abfalleimer und Mülltonnen nach Essbarem. Und dann stand das kleine Mädchen auf einmal vor ihm. Trotz ihrer Armut hatte es das gleiche Leuchten in den Augen wie er selbst, nachdem er seinen Job verloren hatte.
„Wollen Sie noch mehr Rosen von mir, mein Herr?“ fragte ihn das hübsche kleine Mädchen lächelnd und sah ihm hoffungsvoll ins Gesicht.
„Nein, aber ich habe etwas mehr für dich“, antwortete er.
„Was ist das?“
„Ich will mit dir zusammen gegen deinen unsichtbaren Feind kämpfen“, sagte er.
Er rief überall zu Spendenaktionen auf. Er organisierte Benefizveranstaltungen und stellte eine Seite ins Internet, um noch mehr Spenden zu sammeln. Sein Engagement sprach sich schnell herum und er gründete eine gemeinnützige Organisation. Diese Organisation unterstützt hungernde Menschen in der ganzen Welt.
Aus Rührung und Mitglied mit dem kleinen Mädchen verzichtete auf eine berufliche Karriere und widmete sein Leben der Bekämpfung des Hungers in der Welt. Bis heute konnte er damit das Leid von Zigtausend Menschen lindern und unzähligen weiteren das Leben retten.
Dadurch erwarb er sich mit immenser Befriedigung und Genugtuung einen Ruf.
Eines Tages wurde er als Ehrengast zu einem großen Fest eingeladen. Er sollte dort eine Ansprache halten und alle kamen. Seine Freunde und Bekannten waren da und von überall her kamen die Menschen. Mit dem Auto, dem Zug, mit Schiffen und Flugzeugen.
Neben prominenten Persönlichkeiten aus dem Showbusiness, der Wirtschaft, Wissenschaft und Politik waren auch die CEO der größten Unternehmen des Landes anwesend. „Jemand klopfte ihm von hinten auf die Schulter. „Erkennen Sie mich?“ fragte der Geschäftsführer, der ihn entlassen hatte.
„Selbstverständlich, mein Herr. Ich erinnere mich noch sehr gut an Sie. Sie haben mich mit den Worten entlassen: „Sie werden ohnehin nichts Großes im Leben vollbringen.“
Mit Stolz und innerer Zufriedenheit ging der inzwischen nicht mehr ganz so junge Mann auf die Bühne. Er ließ einen verblüfften Manager zurück, der ihm gedankenverloren nachsah.
Der Mann begann seine Rede mit den Worten: „Unterschätzen Sie niemals die unbegrenzte Macht eines Menschen, in dem trotz widrigster Umstände ein Feuer der Begeisterung brennt.“
Vielleicht ist diese Geschichte wahr. Vielleicht ist sie auch erfunden. Wie dem auch sei: Ich möchte sie gerne mit einem Appell an meine Leserschaft verbinden. Hunger und Not sind die schlimmsten Feinde des menschlichen Lebens. Geht nicht achtlos vorbei, wenn ihr eine Bettlerin oder einen Bettler am Wegesrand seht. Ihr habt so viel mehr als dieser Mensch. Gebt ihm bitte etwas davon ab.
Jede Hilfe zählt
Sage niemals: „Ich allein kann die Welt nicht retten“. Das stimmt zwar. Was aber, wenn alle so denken? Einer allein kann in der Tat die Welt nicht retten. Aber wir alle zusammen. Wir können es! Höre nicht auf jene, die sagen: „Warum soll ich diesem Menschen Geld geben? Er versäuft es doch sowieso nur.“ Vielleicht ist ja der Alkohol der einzige Freund, den er noch hat. Und außerdem ist es sein Geld, das du ihm gibst. Es gehört dann ihm und er kann damit machen, was er will.
Wenn du etwas mehr als einen Euro übrighast, dann spende großzügig an Organisationen deiner Wahl. Und höre auch hier nicht auf Menschen, die sagen: „Warum soll ich spenden? Mein Geld kommt doch gar nicht bei diesen armen Menschen an. Es versickert in dem großen Verwaltungsapparat dieser Organisation.“ Eine Ausrede, um nicht spenden zu müssen. Warum? Weil eine Hilfsorganisation auch geleitet, verwaltet und organisiert werden muss. Sonst ist sie nicht handlungsfähig. Entweder du hilfst mit deinem Euro direkt den Bedürftigen oder trägst dazu bei, dass diese Organisation ihre Arbeit überhaupt tun kann. Du hilfst damit also so oder so denjenigen, denen du helfen willst. Direkt oder indirekt.
Jeder Mensch hat unbegrenztes Wachstumspotential im Leben. Mach die Welt ein bisschen besser, als sie es war, als du in sie hineingeboren wurdest.